Berlin will zwei Standorte der Landesbibliothek [Amerika Gedenkbibliothek und Berliner Stadtbibliothek] zusammenführen. Klingt sinnvoll. Doch die Kosten-Prognose erinnert an andere Großprojekte, die viel zu teuer ausfallen. Die Standortwahl setzt noch eins drauf.
Wer gedacht hat, dass Politiker nach den desaströsen Erfahrungen mit der Elbphilharmonie, Stuttgart 21 und dem Hauptstadtflughafen langsam davon abrücken würden, teure und wahnwitzig geplante Prestigebauten in Auftrag zu geben, kennt Klaus Wowereit schlecht. Der ewige Bürgermeister Berlins, einst als junger Wilder auch als verheißungsvoller Hoffnungsträger für die Bundes-SPD gehandelt, hat ja offensichtlich schon seit längerem keine richtige Lust mehr zu regieren und verhielt sich beim BER zuletzt bockig wie meine Tochter, wenn ich sie zum Gemüseessen überreden will: Ihr seid alle doof. Beim nächsten Megabauprojekt hofft Wowereit insgeheim, nicht mehr im Amt zu sein, wenn die großen Probleme auftauchen.
Dieses Projekt ist dem Bau einer Bibliothek gewidmet. Die zwei Standorte der Landesbibliothek sollen zusammengeführt werden. Dies klingt zunächst sinnvoll. Allerdings liegen die geschätzten Kosten in der ersten Planungsphase schon bei 270 Millionen Euro.
Gerade erst wurde die aufwendig sanierte Staatsbibliothek Unter den Linden nach Jahren im Baugerüst wiedereröffnet, und die Einweihung des modernen Grimm-Zentrums der Humboldt-Universität ist auch noch nicht lange her.
Wowereit möchte sich wohl im Vergleich zu diesen gelungenen Projekten nicht lumpen lassen und stellte letzten Monat architektonisch sehr ansprechende Entwürfe vor.
Aber muss denn das so teuer sein? In eine Bibliothek gehe ich doch, um etwas auszuborgen und mitzunehmen. Das Geld sollte doch eher in die technische Aufrüstung gehen, um dem digitalen Bücherzeitalter gewachsen zu sein. Es sieht aber eher so aus, als wolle man schlichtweg eine teure Hülle für die alten Bücher bauen. Was für eine Verschwendung. Sogar der konservative Koalitionspartner möchte das Projekt am liebsten hinten anstellen. Doch Wowereit lässt sich bis jetzt nicht aufhalten, und es droht in absehbarer Zukunft ein weiteres unnötiges finanzielles Debakel.
Wieso ausgerechnet auf dem Tempelhofer Feld?
Als wäre dies noch nicht genug Kontroverse, möchte Wowereit die Bibliothek auf dem Tempelhofer Feld, dem ehemaligen Flughafengelände, bauen. Ein ganzes Areal soll dort als neues Quartier mit Bibliothek und Wohnungen und Geschäften drum herum erschlossen werden.
Ich kann mir schon jetzt vorstellen, wie dieses Quartier seelenlos dahin dümpeln wird – dazu muss ich nur zum Hauptbahnhof schauen. Das spektakuläre Tempelhofer Feld ist, so wie es jetzt ist, ein Alleinstellungsmerkmal Berlins, um das uns andere Städte beneiden.
Die Berliner lieben es. Wer schon mal am frühen Abend über das Gelände spaziert, sieht Fußballer, Softballspieler, Drachenflieger, Jogger, Basketballer und viele Familien, die zusammensitzen.
Video: Status Qutopia Productions
Gerade die frei nutzbaren Sportanlagen sind sehr gut besucht. Überall sonst in der Stadt sind sie in der Regel fest in den Händen der Vereine und für Freizeitsportler nicht nutzbar.
In den USA würde man sagen: If it ain’t broke, don’t fix it.
Es wurde bereits eine Bürgerinitiative (100 % Tempelhofer Feld) initiiert, um durch ein Volksbegehren die Bebauung zu verhindern. Für eine angemessen teure Bibliothek ist sicherlich auch irgendwo anders Platz.
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“Was für eine Verschwendung” erschien zum ersten Mal am 18. Mai 2013 im Handelsblatt in der Kolumne “Dutschke spricht”:
www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/kurz-und-schmerzhaft/dutschke-spricht-was-fuer-eine-verschwendung-seite-all/8225300-all.html
Veröffentlicht auf tempelhoferfeld.info am 3. 1.2013, damit er in die Chronologie der Ereignisse passt rückdatiert auf 19.5.2013
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