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Schafe auf dem Tempelhofer Feld – Geschichte und Geschichten

Schafe auf dem Tempelhofer Feld – Geschichte und Geschichten

Im 14. Jahrhundert war der Wald bereits gerodet, das Tempelhofer Feld wurde  kleingärtnerisch und landwirtschaftlich genutzt. Um die sandigen Böden fruchtbar zu machen, halfen auch Schafe. Die Nutzung des Feldes war mindestens so unterschiedlich wie heute. Einige nutzten die Feldwege als Verbindungswege. Gärtner, Kleinbauern und Viehzüchter bauten an und weideten ihre Tiere. Andere wiederum vergnügten sich auf dem Feld. Schafherden und ihre Hüter sind flexibel und fügen sich leicht in wechselnde Gelände-Nutzungen. Auch als das Militär 1722 begann das Feld für Übungen und Aufmärsche zu nutzen, wurde das Tempelhofer Feld weiterhin beweidet. 1923-2008 wurde das Tempelhofer Feld als Flugfeld genutzt. Die Schäferei dort wurde erst 1992 untersagt.

In den 1930er Jahren beweideten mehrere tausend Schafe den Flughafen Tempelhof. Fotograf: unbekannt

Die Magerlämmer des 2. Weltkrieges

Bis 1945 kam jeden Winter ein Wanderschäfer aus dem Kyffhäuserkreis in Thüringen auf das Tempelhofer Feld. Seine Tour begann im Raum Nürnberg, wo er begann Magerlämmer zu kaufen. Auch unterwegs kaufte er immer noch Lämmer dazu. In Berlin angekommen weidete er seine Herde solange auf dem Tempelhofer Flugfeld bis er sie zum Schlachthof brachte.

Und dann kam Kurt

Beim Schäferfest am 21.10.2018 hatten wir hohen Besuch. Kurt Stemmler, Jahrgang 1928, kam höchstpersönlich und brachte sein privates Bildarchiv mit.

Das linke Foto wurde zwischen 1951 und 1961 aufgenommen, denn das Flugzeug im Hintergrund ist eine Douglas DC-4, im November 1945 registriert unter N90905. Die Erst-Eigentümerin American Overseas Airlines fusionierte 1950 mit Pan Am. Während ihrer Berliner Zeit hieß die viermotorige Maschine “Flagship Berlin”. Im Dezember 1961 wurde sie an das spanische Militär verkauft.

Kurt Stemmler war  1948 bis 1972 Angestellter des Schäfermeisters Läpple und hütete ab 1951 mit einem Kollegen auf dem Flughafen Tempelhof 600 bis 1000 Schafe. Wegen des Flugbetriebes pferchten sie die Schafe mit jeweils 25 Meter Abstand zum Vorfeld und den Start-, Lande- und Rollbahnen. Kurt Stemmler scherte die Schafe mit einer Maschine. Die Schafe waren von April bis Oktober auf dem Flugplatz. Im Oktober zogen sie zu den Rieselfeldern und blieben dort bis Ende März.

Flucht vor der Zwangsenteignung

1961, noch vor dem Mauerbau. floh Schäfer Gerhard Läpple aus Blankenfelde/DDR mit Familie und 600 Schafen nach Westberlin. Für eine Weile soll er auch auf dem Tempelhofer Feld gehütet haben. [Anmerkung 21.10.2018: Angeblich hütete ein anderer Läpple auf dem Feld. Wir haben bisher 2 alte Schäfer befragt, beide waren unterschiedlicher Meinung. Daher werden wir weiter fragen.]

Ein Bayer in Berlin?

Ob der nächste Tempelhof-Schäfer Zirkelbach hieß und aus Bayern kam, müsste noch recherchiert werden. Die Redaktion ist für Hinweise dankbar.

Das Foto wurde frühestens 1964 aufgenommen, denn in diesem Jahr landete mit der Boeing 727 das erste Düsenverkehrsflugzeug in Tempelhof. Fotograf unbekannt

Der letzte Tempelhofer Flughafen-Schäfer

1979 bis 1992 beweideten die Schafe von Siegfried Hondo das Tempelhofer Flugfeld. Vertragspartner war die USA als Flughafenbetreiber. Hondos Schaf-Herde umfasste je nach Jahr 600 bis 1000 Schafe. Am Südrand des Feldes, zwischen der Müllverbrennungs-Anlage und der alten Gärtnerei hatte er seinen Stall und seine Arbeitsmittel.

Nach dem Beitritt des Staatsgebietes der DDR in den Geltungsbereich des Grundgesetzes der BRD im September 1990 begann das US-Militär sich vom Flughafen Tempelhof zurück zu ziehen. Den zivilen Flugbetrieb übernahm die Berliner Flughafensgesellschaft. 1992 kündigte sie dem langjährigen Schäfer, weil das Bundesministerium für Verkehr von Beweidung auf Flughäfen abriet.

Der Grund? Schafskötel ziehen Insekten an, Insekten vermehren sich und ziehen Vögel an, kleine Vögel vermehren sich und ziehen größere Vögel an. Große Vögel gefährden den Flugverkehr, wenn sie in die Triebwerke geraten. Ein Tempelhofer Flughafenmitarbeiter meinte allerdings “Unsere Krähen kennen die Flugpläne besser als wir!” Der Schäfer ergänzte “Wenn die Flieger kamen, waren die Krähen längst weg.”. Doch die Intelligenz der Tempelhofer Krähen konnte den Flughafenschäfer nicht retten. Die Schafe mussten 1992 weg. 1992 bis 1997 mähte er das Flugfeld mit der Maschine und machte Heu. Aus einer versprochenen Ausgleichsfläche wurde nichts. 1996/97 baute er die Tempelhofer Ställe ab und zog aus Berlin weg. 2018 hält er noch 70 Schafe in Kleinbeuthen südlich von Berlin.

Flughafen-Schäfer-Latein

Alter Schäfer: “Wenn die Flieger zu früh angeflogen kamen, mussten wir Schäfer mit Taschenlampen leuchten. War ja sonst noch keiner da auf dem Flughafen.”
(Wurde hier ins Hochdeutsche übersetzt.)

Schafgeschichte rund um Tempelhof in der Presse

www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-buecher-ich-flieg-auf-berlin/23170598.html

www.berliner-zeitung.de/berlin/neuanfang-im-westen-die-spektakulaere-flucht-des-schaefers-laepple-31092706

www.berliner-kurier.de/berlin/brandenburg/republikflucht-mit-600-schafen-schaefer-laepple-und-die-belaemmerte-ddr-31092522

www.zeit.de/1982/44/sitzen-das-darf-er-nie/komplettansicht

www.tagesspiegel.de/berlin/verkehr/flughafen-schliessung-tempelhof-das-wollfeld/1348206.html

www.maz-online.de/Lokales/Teltow-Flaeming/Woelfe-reissen-Mutterschaf-und-elf-Laemmer

www.tagesspiegel.de/berlin/verkehr/tempelhof-die-schafe-sind-wohlauf/1099932.html

Ergänzungen

Wir sind für Ergänzungen dankbar.

9.11.2018 Neu eingefügter Abschnitt: Und dann kam Kurt.