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Der Planungs-Tanz um das Tempelhofer Feld aus vier Perspektiven

Aus meinem Redebeitrag bei der Veranstaltung “Bürgerbeteiligung – ein Missverständnis zwischen Bürgern und Politik?” am 25.8.2013

Ein Großteil der hier geführten Debatte gehört eigentlich ins Abgeordnetenhaus, denn wir haben gehört, dass die Abgeordneten genauso unzufrieden wie die Bürger damit sind, unzureichend informiert zu werden und sich von der Exekutive bei Planungsvorhaben mit scheinbaren „Sachzwängen“ vor vollendete Tatsachen gestellt zu sehen. Das Thema der heutigen Veranstaltung „Bürgerbeteiligung“ ist daher auch „Abgeordneten-Beteiligung“, und das sollte in die Öffentlichkeit getragen werden.

Ich verfolge den Planungstanz um das Tempelhofer Feld als persönlich Betroffener aus mehreren Perspektiven:

– Ich bin betroffen als Kleingärtner, als solcher sitze ich direkt am Rand des Tempelhofer Feldes und bin weg dann physisch weg, als Kleingärtner, falls die Bebauungspläne Realität werden sollten. Für unsere Kolonie kann ich sagen: Wir sind schlicht und ergreifend NICHT beteiligt worden!

– Ich bin im Bezirk Tempelhof-Schöneberg betroffen als Anwohner, der um die Ecke wohnt. Damit bin ich betroffen von den ganzen Konsequenzen einer Bebauung für den Bezirk, der – wie wir heute wieder klar erfahren haben – nicht beteiligt wurde und wird!

– Als Berliner bin ich betroffen, weil ich mir dringend einen anderen Umgang mit dieser einzigartigen Freifläche wünsche, der ihrer historischen Bedeutung ebenso gerecht wird wie ihrer stadtklimatischen und ökologischen und sozialen Funktion.

– Schließlich bin ich auch als Bundesbürger Betroffener und zwar in Bezug auf den Umgang mit Grundstücken, die im Bundes-Besitz sind. Die Flächen der Bahnlandwirtschafts-Kleingarten-Kolonien Tempelhofer Berg und Neuköllner Berg gehören dem Bundeseisenbahnvermögen, das Verkaufsverhandlungen mit dem Berliner Senat führt und sie als Tafelsilber zu verscherbeln droht.

Ich aber wünsche mir einen anderen, nachhaltigen und an langfristig wünschenswerten stadtplanerischen Perspektiven orientierten Umgang mit solchen Grünflächen im Bundesbesitz!

Vor diesem Hintergrund sehe ich die sogenannte „Bürger-Beteiligung“ des Senats. Sie ist in meinen Augen komplett diskreditiert und zwar bis in die Steinzeit und zurück. Dies ist in der Diskussion auch von anderen Rednern dargelegt worden, ich brauche es hier nicht zu wiederholen.

Meiner Meinung nach ist das, was wir am Beispiel des Tempelhofer Feldes sehen, Teil eines übergreifenden großen Themas, das MODERNE LANDNAHME heißt. Dieses Thema ist Hintergrund der vielen Facetten unserer Diskussion heute. Ich bin aus Mecklenburg-Vorpommern nach Berlin zugezogen und sehe, dass in diesem Flächenland grade eine investorengetriebene LANDNAHME agrarischer Flächen im großen Stil stattfindet. Das Tempelhofer Feld ist für mich ein grandioses Beispiel für genau das Analoge im urbanen Raum! Ich bin fassungslos, dass der Senat dies am Tempelhofer Feld, das ein identitätsstiftendes großes Ensemble mitten in der Stadt ist, „durchziehen“ will und dass es nicht die städteplanerische Würdigung erfährt, dies es verdient. Dass eine Bürgerbeteiligung, die ihren Namen verdient, unter diesen Bedingungen vom Senat nicht organisiert wird (werden kann), muss dringend thematisiert werden.

Die Frage des Moderators, was ich konkret selber tun kann, möchte ich mit folgenden Punkten beantworten:

– Das Volksbegehren zur Erhaltung des Tempelhofer Feldes in seinem jetzigen Zustand nach Kräften unterstützen. Die Unterschriftensammlung beginnt im September.

– Mithelfen, dass eine Bürgerbeteiligung mit neutraler (!) Moderation und unter Offenlegung der Interessen der zu Beteiligenden aufgestellt wird und ihre Arbeit auf Dauer aufnimmt.

– Sehr gezielt Sand ins Planungsgetriebe werfen, solange dies noch nicht erreicht ist.

Gastbeitrag von Rolf Peinert
Eine Petition für den Erhalt unserer Kleingärten finden Sie auf www.change.org/de